In der letzten Juniwoche konnten die 11. Klassen mit Kurt Stenzel einen ganz besonderen Gast am Arnold-Gymnasium willkommen heißen. Der 87-Jährige wurde 1938 im kleinen Ort Zuckmantel im Sudetenland geboren, der heute Zlaté Hory heißt und zu Tschechien gehört.
Deutsche und tschechische Einwohner lebten dort mit- und nebeneinander, was sich nach der Abtretung des Gebietes an das nationalsozialistische Deutschland grundlegend änderte.
Kurt Stenzel musste als Kind miterleben, wie sein Vater, der sich weigerte, in die NSDAP einzutreten, zunächst drangsaliert und später an die Ostfront versetzt wurde.
Die Schülerinnen und Schüler lauschten gespannt, als er erklärte, wie schnell sich das Verhältnis zwischen Tschechen und Deutschen veränderte. So blieb ihm die Parole „Ihr sudetendeutschen Zwerge kommt zuletzt in eure Särge“ aus jener Zeit stets im Gedächtnis.
Die Flüchtenden zerstörten wiederum vieles von dem, was sie zurücklassen mussten, um es ja nicht dem „Feind“ zu überlassen. Dennoch, berichtet Herr Stenzel, seien nicht alle Tschechen „bösartig“ gewesen, sondern gaben besonders den Kindern, die oftmals tagelang in engen Zügen Richtung Westen geschafft wurden, Brot und Wasser, obwohl sie selbst nicht sehr viel hatten. Die Menschlichkeit, die sich in kleinen Gesten wie diesen zeigt, ist für ihn die zentrale Lehre aus der Geschichte.
Der Grund, aus dem er sich gerne als Zeitzeuge zur Verfügung stelle, sei deshalb vor allem, darüber mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. „Angesichts des zunehmenden Hasses auf der Welt muss es nicht sein, dass es so bleibt“, gab er den 11.-Klässlerinnen und 11.-Klässlern mit auf den Weg. „Seid kritisch, stellt Fragen, macht es anders, als die Menschen damals: Geht aufeinander zu!“
Auch später, als Herr Stenzel über Stationen in Furth im Wald und Regensburg auf einen kleinen Hof im niederbayerischen Burgerding gelangte, wusste er die Hilfe der Menschen zu schätzen, die ihn bei sich aufgenommen hatten. Nach Zuckmantel ist Herr Stenzel nur ein einziges Mal zurückgekehrt. Nach der Geige, die seine Mutter vor der Abreise im Zwischenboden des Hauses versteckt hatte, hat er dann aber nicht mehr gesucht.
Die Schülerinnen und Schüler, die Herrn Stenzel über zwei Stunden Fragen gestellt und seinen Ausführungen gelauscht hatten, waren sich einig: Die Eindrücklichkeit, mit der er von seinem Leben erzählte, kann der übliche Geschichtsunterricht nur schwer erreichen. Wenn möglich, möchte Herr Stenzel deshalb nächstes Jahr wieder ans AG kommen und resümiert: „Alt bin ich erst mit 90. Und da hab ich noch drei Jahre Zeit.“
Jennifer Schmid