50 Jugendliche aus Neustadt und Kielce begaben sich in der Woche nach den Osterferien gemeinsam auf Spurensuche in die leidvolle polnisch-deutsche Vergangenheit. Eine bewegende, lehrreiche und horizonterweiternde Reise mit tiefen Einblicken in die Kultur unserer Nachbarn – neue Freundschaften inklusive.
Mit dem Lyzeum der Nazaret-Schwestern in Kielce verbindet das AG bereits seit 2020 eine Partnerschaft, in diesem Jahr fand bereits die vierte Jugendbegegnung statt, ein erstes Online-Treffen währen der Hochphase der Pandemie nicht mitgerechnet. Alles bereits in eingefahrenen Bahnen also, die Blaupausen immer wieder abrufbar? Weit gefehlt. Mit jeweils 25 Schülerinnen und Schülern aus den beiden Ländern waren die Gruppe noch nie so groß und noch nie waren wir in der Heimatregion der polnischen Schüler.
Neben dem gegenseitigen Kennenlernen und gemeinsam Spielen, Tanzen und einfach Spaß haben standen anspruchsvolle und aufwühlende Geschichtsworkshops und Gedenkstättenbesuche auf dem Programm. Die Stadtrallye in Kazimierz, dem ehemaligen Zentrum jüdischen Lebens in Polen, war dabei eher ein leichtes Warm-Up Programm nach einer Dank der Deutschen Bahn unerwartet langen Anreise.
Am zweiten Tag stand mit der Begegnung mit dem Zeitzeugen Ignacy Kurczynsk, der als 19jähriger 1944 zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt worden war, der emotionale Höhepunkt der Reise an. Auf der Flucht gefasst überlebte er verschiedene Konzentrationslager nur mit knapper Not. Seine Schilderungen waren sehr bewegend und werden allen sicher sehr lange in Erinnerung bleiben.
Lehrreich war auch die Führung durch das ehemalige Gefängnis für politische Gefangene der Stadt Kielce. Wie perfide sich totalitäre Systeme ähneln, wird am historischen Exekutionsbuch deutlich: Im Januar 1945 wechselt allein die Sprache von Deutsch auf Russisch, sonst änderte sich wenig.
In Michinów besuchten wir das Mausoleum zum Gedenken an die Leiden der polnischen Landbevölkerung im zweiten Weltkrieg. Am Ort eines furchtbaren Pogroms tauchten wir tief in die Biographien von Opfern und Tätern ein.
Zum Ausgleich für diese herausfordernde Auseinandersetzung mit der Geschichte war unser Basecamp Kaczyn ideal: Idyllisch im Wald gelegene Ferienhäuschen mit einem Fußball- und Grillplatz ließen genug Raum sich gegenseitig kennenzulernen und gemeinsam das Erlebte zu verarbeiten.
So ging die Woche viel zu schnell vorbei und alle Beteiligte freuen sich auf eine Fortsetzung des Austauschs: Dann hoffentlich in unserer Heimatregion, schließlich gibt es auch rund um Neustadt Einiges zu entdecken, für Gäste aber auch für Einheimische.
Thorsten Zipf